Nah am Wasser
Sie wollen die Salzach als Naherholungsgebiet zurückgewinnen. Die beiden Salzburger Jungarchitekten Horst Lechner und Lukas Ployer haben mit ihrer Diplomarbeit „Flussraum Salzach“ für die Kunstuniversität Linz in den vergangen zwei Jahren eine umfassende Diskussion über die Lebensader Salzach in Medien, Politik und der Salzburger Bevölkerung angeregt. Jetzt wünschen sie sich, ein Visitenkartenstück ihrer Vision umzusetzen, um Lust auf eine direktere Begegnung mit dem Fluss zu wecken.
Titelinterview mit den Jungarchitekten Horst Lechner und Lukas Ployer
von Chefredakteurin Michaela Gründler
Was bedeutet für Sie „im Fluss“ zu sein?
Horst Lechner: Ich fühle mich in einem Dauerfluss auf angenehme Art und Weise. Wenn man es wörtlich nimmt, dann würde ich gerne in der Salzach schwimmen.
Lukas Ployer: Dass ich immer etwas zu tun habe. Das kann man sowohl positiv wie negativ sehen. Wenn ich sehr viele Themen habe und der Fluss sich zu schnell fortbewegt, dann darf der Fluss auch gerne von Zeit zu Zeit stoppen. Bezogen auf die Salzach wünsche ich mir, nah am Fluss zu sein. Man ist Teil des Flussraums und spürt die Stadt nicht.
Horst Lechner: Das Schöne am Fluss ist: Egal wie die äußeren Umstände sind und wie gestresst man sich fühlt, dem Fluss ist das egal, er ist von äußeren Einflüssen unabhängig. Der Fluss ist ein Ort, wo man so richtig runterkommt und leichter zu sich findet.
Was hilft Ihnen, wieder ins Fließen zu kommen?
Lukas Ployer: Wenn wir anstehen und nicht weiterkommen, machen wir viele Spaziergänge. Bei einem Spaziergang ist auch unsere Idee für unser Diplomarbeitsthema „Flussraum Salzach“ entstanden – allerdings bei einem Auslandssemester in Litauen. Wir hatten dort zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen und sind daher immer am Fluss spazieren gegangen, um den Kopf freizubekommen. Eines Tages ist uns bewusst geworden, dass der Fluss in Vilnius von der Bevölkerung überhaupt nicht richtig genutzt wird. Wir haben dann an die Salzach gedacht und festgestellt, dass in Salzburg die Grundsituation eine viel bessere als in Vilnius ist, aber dennoch als Naherholungsgebiet für die Stadtbevölkerung viel besser genutzt werden könnte.
Horst Lechner: Da wir Salzburger sind, war es für uns naheliegend, den Flussraum der Salzach zu betrachten und eine Vision dafür zu entwickeln.
Sie haben mit Ihrer Diplomarbeit für die Kunstuniversität Linz „Flussraum Salzach – Transformation zur Lebensader“ 2018 für Furore gesorgt: Sie gewannen das Architekturpreis-Stipendium des Landes Salzburgs, haben eine der meistbesuchten Ausstellungen im Rahmen der Initiative Architektur gestaltet und erreichten gleichermaßen (Boulevard-)Medien, Fachwelt, Politik sowie weite Teile der Bevölkerung. Wie ist es zu diesem Erfolg gekommen?
Horst Lechner: Für uns war es sehr unerwartet. Als wir Roman Höllbacher von der Initiative Architektur Bücher unserer Diplomarbeit für die Bibliothek vorbeibrachten, lud er uns sofort ein, eine Ausstellung darüber zu machen. Da die Initiative Architektur damals noch im Künstlerhaus an der Salzach ihren Sitz hatte und kurz davor stand, ins Architekturhaus in die Riedenburg zu ziehen, war eine Ausstellung zum Thema Fluss als letzte Ausstellung am Fluss für ihn gleich naheliegend. Ursprünglich war sie für zwei Wochen geplant und ist aufgrund des großen Erfolges und Andrangs verlängert worden. Normalerweise werden Architekturausstellungen zumeist nur von Fachpublikum besucht. Bei uns war es genau umgekehrt: Die meisten Leute, die da waren, hatten zuvor noch nie eine Architekturausstellung besucht.
Lukas Ployer: Darunter viele Anrainer, die gleich ums Eck wohnen, aber auch viele Kindergärten und Schulklassen.
Horst Lechner: Bei den Schul- und Kindergartenkindern mussten wir die Modelle danach immer einen halben Tag kleben. Das gehört dazu. (beide lachen)
Lukas Ployer: Durch die Berichterstattung in den Tagesmedien und durch Mundpropaganda hatten wir enorm viel Zulauf, selbst als wir schon am Abbauen waren. Es war so schön, weil man gesehen hat, dass jedem der Fluss am Herzen liegt. Die Besucher haben auch viele Ideen eingebracht und auch Verwaltung und Politik haben unsere Vision sehr gut aufgenommen.
Sie nehmen den Flussabschnitt vom Überfuhrsteg im Süden bis zum Staukraftwerk im Norden unter die Lupe. Was ist Ihre Vision vom „Flussraum Salzach“?
Horst Lechner: Wir wollen Freiraumqualitäten am Fluss schaffen. Wenn zum Schluss keiner merkt, dass ein Architekt involviert gewesen ist, umso besser. (lacht)
Lukas Ployer: Wir wollten eine Stimmung herstellen, die es früher gegeben hat. Uns hat ein Gemälde des Salzburger Malers Josef Mayburger nachhaltig inspiriert, weil es einen enormen, sinnlichen Flussbezug veranschaulicht. Die Stadt und der Fluss sind fast auf derselben Ebene, Pferde werden am Wasser getränkt und die Menschen genießen es, nah am Wasser zu sein. Uns war es wichtig, diese leicht zugängliche Flussraum-Qualität wieder ins Bewusstsein zu holen. Durch verschiedene historische Eingriffe ist die Salzach jedoch mittlerweile so eingetieft, dass man sie nicht mehr nach oben holen kann. Im Laufe der Zeit haben sich acht Meter hohe Böschungen zwischen Fluss und Stadt gebildet. Unsere Vision ist es daher, den Menschen zu ermöglichen, direkt am Flussufer zu sein und wieder mit dem Wasser zu interagieren. Derzeit schaut es so aus, dass die Jüngeren unten an den Böschungen und die Älteren oben auf den spärlichen Bänken sitzen. Wir möchten die Qualität eines sinnlichen Flussraumes aber allen Menschen zugänglich machen – auch für jene mit Kinderwagen oder Rollstuhl.
Wie kann dieses „Am-Fluss-Sein“ aussehen?
Lukas Ployer: Es sind vier Kilometer Salzach zu betrachten, also acht Kilometer Ufer. Wir haben eine historische und aktuelle Bestandsaufnahme gemacht inklusive der Verkehrssituation und des Flussprofils. Auf Basis dessen haben wir eine Toolbox entwickelt, die wir „formales Vokabular“ nennen – mit architektonischen Interventionen wie beispielsweise Gehwegen direkt am Ufer, Grillplätzen, Schwimmbecken, Sitztreppen, Kiosken oder Liegeflächen. Je nach Flussabschnitt können wir damit auf bestimmte Orte reagieren. In einem Masterplan haben wir einen Gesamtentwurf entwickelt. Uns ist es dabei wichtig, ein Bewusstsein zu schaffen für die Möglichkeiten und weniger, was davon wirklich umgesetzt wird.
Horst Lechner: Bei unserem Betrachtungsabschnitt kann man 80 Prozent vom Flussraum verändern, ohne dass man den Innenstadtbereich mit dem Verkehr angreift. Denkt man diesen jedoch mit, kann man nichts Grundsätzliches bewirken, ohne den Verkehr anders zu gestalten. Uns ist bewusst, dass der Verkehr immer ein heißes Eisen ist. Wir können jedoch die Qualität in diesen zentralen Flussbereichen aufzeigen, die eigentlich in der Altstadt da wäre.