„Ich bin eine Frau. Für eine Dame arbeite ich zu viel“
Sie bewegt sich souverän auf allen Parketten. Wohl auch deshalb war sie oft die erste Frau: als Innenpolitikkolumnistin, als Präsidentin der Salzburger Wirtschaftskammer und die vergangenen 25 Jahre an der Spitze der Salzburger Festspiele. Im Apropos-Gespräch erzählt Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler von Herausforderungen, Erfolgen und Spannungsfeldern – und weshalb es ihr leichtfällt, Kompromisse zu suchen und zu finden.
Titelinterview mit Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler
von Chefredakteurin Michaela Gründler
Was bedeutet für Sie Stil?
Helga Rabl-Stadler: Innerlich und äußerlich mit sich im Reinen zu sein. Ich finde es sehr wichtig, dass jeder Mensch seinen Stil entwickelt. Der Stil ist jedoch nicht etwas ewig Festgeschriebenes, sondern muss sich mit dir entwickeln. Als junge Frau war ich sehr burschikos. Um Mode habe ich mich wohl auch aus Ablehnung und Konfrontation meinem Elternhaus gegenüber nicht gekümmert. Als ich dann nach Jahren in meinem Traumberuf Journalismus das Modegeschäft meiner Mutter in Salzburg übernahm, sagten alle: „Aber was tut denn die Helga dort! Die interessiert sich doch gar nicht für Mode.“ Das stimmte zwar, aber ich musste mich damals aus beruflichen Gründen dafür interessieren. Als ich später Präsidentin wurde, war mir im Riesenkreis der Anzug- und Krawattenträger klar, dass auch meine Kleidung Kompetenz ausstrahlen muss.
Wie würden Sie Ihren eigenen Stil beschreiben?
Helga Rabl-Stadler: Klassisch mit Phantasie.
Sie gelten als Grande Dame, die sich auf allen Parketten souverän, geistreich, humorvoll, überzeugend, durchsetzungsstark und menschenfreundlich bewegt – egal, ob als Journalistin, Unternehmerin, Präsidentin der Wirtschaftskammer Salzburg oder seit 25 Jahren als Festspielpräsidentin. Was ist die Kunst des diplomatischen Vermittelns?
Helga Rabl-Stadler: Ich habe mich immer dagegen gewehrt, wenn jemand zu mir gesagt hat: „Sie als Dame …“ Ich habe immer gesagt: „Ich bin eine Frau. Für eine Dame arbeite ich zu viel.“ (lacht) Es gibt ein lateinisches Sprichwort, das lautet: „Fortiter in re, suaviter in modo.“ Es ist aus dem 16. Jahrhundert und bedeutet: „Unbeirrbar in der Sache, sanft in der Art.“ Sanft ist vielleicht nicht etwas, das man mir zuschreibt, aber Flexibilität auf jeden Fall. (lacht) Ich glaube, wir Österreicher haben das Glück, dass wir Charme nicht als etwas Windiges ansehen, sondern als etwas Erstrebenswertes – und dass man charmant oder diplomatisch einen Weg zum anderen finden kann.
Wie finden Sie den Weg zum anderen?
Helga Rabl-Stadler: Es gibt oft gerade in einer Führungsposition auf der anderen Seite ein Nein. Für mich ist ein Nein keine Aggression, sondern eine Herausforderung. Ich habe es viel lieber, wenn mir jemand klar sagt, dass er eine andere Position hat. Ich versuche es, dem anderen leicht zu machen, einen Kompromiss zu finden. Ich bin eine große Vertreterin des Kompromisses, denn ich glaube, niemand hat die Wahrheit mit dem Löffel gefressen. Ich finde es schade, dass Populisten aller Richtungen den Kompromiss als etwas Laues vernadern. In der Kunst darf es keinen Kompromiss geben! Der Künstler darf und muss seinen Weg verfolgen. Aber in der Politik ist für mich der Kompromiss die einzige Möglichkeit, um möglichst viele Menschen vertreten zu können. Mir fällt es leicht, mit Humor auch auf jemanden zuzugehen, von dem ich weiß, dass er nicht meiner Meinung ist. Über sich selbst lachen zu können ist dabei für mich eine besonders sympathische Form der Selbstkritik.
Mit welcher Haltung treten Sie Menschen gegenüber?
Helga Rabl-Stadler: Vertrauensvoll. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn man in den anderen etwas Gutes hineinlegt, wird ein Großteil der Menschen dich nicht enttäuschen, sondern versuchen, diesem positiven Vorurteil, das er einfach spürt, gerecht zu werden.
Vertrauen ist auch bei Sponsoren wichtig. Wie schaffen Sie es, Sponsoren zu gewinnen und zu halten?
Helga Rabl-Stadler: Das Vertrauen ist das A und O. Ich bin nicht als Sponsoren-Champion auf die Welt gekommen. Jetzt bin ich es. Ich kann mich noch so gut an meine erste Sponsor-Suche erinnern. 1995 lukrierte ich für die Einrichtung des Pausenraumes im Großen Festspielhaus 10.000 Schilling, also 700 Euro. Damals bin ich mir wie eine Kaiserin vorgekommen, weil es mir derart schwergefallen ist, um Geld zu fragen.
Natürlich kann ich nur so gut sein wie das Programm unseres Intendanten. Mit einem überzeugenden Projekt kannst du Menschen gewinnen. Sponsoring ist ein Geschäft, es ist kein Gnadenakt. Du musst dir genau überlegen, was der andere davon hat. Wenn ich einen wohlhabenden Sammler kennenlerne, der eine halbe Million Euro für ein neues Bild von Anselm Kiefer ausgibt, macht es meist keinen Sinn, wenn ich diesen um 10.000 Euro für die Festspiele frage. Denn der will die bildende Kunst und nicht so etwas leicht Verflüchtigbares wie Theater und Oper.
Es ist meist schwieriger, einen Sponsor über die Jahre zu halten als einen neuen zu gewinnen. Wenn bei einem Unternehmen ein neuer Generaldirektor kommt, will er zumeist neue Projekte fördern. Ich bin daher sehr glücklich, dass uns viele Sponsoren schon so lange treu bleiben. Das liegt auch daran, dass wir uns sehr genau überlegen, was der Sponsor von einer Partnerschaft mit uns hat, was wir ihm bieten und was wir gemeinsam mit ihm entwickeln können.
Wie gehen Sie mit einem „Nein“ als Antwort um?
Helga Rabl-Stadler: Ich versuche es, in einen Kompromiss umzuwandeln – oder ich muss es akzeptieren. Aber zuerst versuche ich, dass wir ein gemeinsames Ja bekommen. Wenn der Sponsor sagt: „200.000 Euro habe ich nicht, aber vielleicht finden wir ein Projekt mit 100.000 Euro“ oder „Dieses Jahr nicht, aber wenn Sie mir was Gutes für 2022 anbieten“, kann man gute Wege finden.