Bedingungsloses Grundeinkommen: Her mit dem guten Leben!
Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf und alles, was Sie den Tag über tun, ist sinnvoll und bereitet Freude. Denn ein menschenwürdiges Dasein ist Ihnen gesichert. Eine solche Welt schwebt Georg Sorst und seinen Mitstreiter:innen vom Runden Tisch Bedingungsloses Grundeinkommen Salzburg vor.
von Sandra Bernhofer
Georg Sorst hat eine Vision. Und zwar die einer Gesellschaft, die gemeinsam Krisen trotzt und mutig in die Zukunft schaut. Eine Gesellschaft, in der zwar nicht jede:r reicht wird, aber niemand unter eine Schwelle sinken kann, die ihr:ihm ein menschenwürdiges Dasein sichert – und echte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Eine Gesellschaft, in der jede:r mehr tun kann „als nur zuhause zu sitzen und trockenes Brot zu essen“. Das Mittel zum Ziel: das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE), das Anfang Mai Thema eines Volksbegehrens ist.
Das BGE zählt seit Jahren zu den politischen Ideen, von denen sich Menschen überall auf der Welt begeistern lassen. Es verspricht Freiheit und Sicherheit für alle. Mehr als die Hälfte der Deutschen spricht sich laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung dafür aus. Und das konstant seit 2016. In Österreich haben die Krisen der vergangenen Jahre die Zustimmung befeuert: Laut einer Umfrage des Austrian-Corona-Panel-Projekts waren im April 2020 40 Prozent der Befragten pro BGE, am Ende des Jahres hatte sich die Zustimmung um fast sieben Prozentpunkte erhöht.
„Wir leben in einem gut ausgebauten Sozialstaat, aber in Krisensituationen zeigt sich, wie behäbig und bürokratisch dieses System tatsächlich ist. Viele wissen gar nicht, was ihnen zusteht, beherrschen die Landessprache nicht ausreichend oder wollen nicht als faul gelten und verzichten deshalb bewusst oder unbewusst, etwa auf die Mindestsicherung“, sagt Sorst. „Das BGE als Netz, das alle Menschen in einer Gemeinschaft auffängt und zwar bedingungslos, hilft uns, eine krisenfestere Gesellschaft zu werden, die mit Zuversicht in die Zukunft schaut und Herausforderungen wie Klimawandel & Co. mutig angeht.“ Das BGE sei auch ein wichtiges Mittel gegen die Spaltung der Gesellschaft, ist er überzeugt: „Wenn wir etwas bekommen, wollen wir etwas zurückgeben. So sind wir Menschen gepolt.“
Auch wenn das BGE durchaus Zuspruch findet: Den Schritt ins Eintragungslokal zu tun kostet offenbar Überwindung. Nur 1,1 Prozent der Stimmberechtigten haben 2019 beim ersten österreichischen Volksbegehren Grundeinkommen unterschrieben. Dennoch ein wichtiges Zeichen, ist Sorst überzeugt: „Damals war es ein Einzelkämpfer, der das Volksbegehren initiiert hat. Es gab keine Infos, keine Kampagne dazu. Dafür sind die 80.000 Unterschriften beachtlich. Jetzt haben wir uns österreichweit zusammengetan, engagieren uns, damit das BGE bekannter wird.“ Viele Menschen hätten nur eine schwammige Vorstellung vom BGE, fühlten sich nicht ausreichend informiert, beobachtet er.
Seit zehn Jahren beschäftig sich Georg Sorst eingehend mit dem BGE, zunächst allein im stillen Kämmerlein. „Eigentlich ironisch“, lacht er, wenn er daran zurückdenkt. Vor zwei Jahren hat er Anschluss gesucht und gefunden. Nun trifft er sich jeden zweiten Mittwoch im Monat im ABZ in Salzburg-Itzling, mit Gleichgesinnten aus Politik, Kirche und Zivilgesellschaft, veranstaltet Filmabende und Podiumsdiskussionen und bringt sein Anliegen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Als Vertreter des Runden Tischs Salzburg ist er Teil des bundesweiten Koordinationsteams, der ARGE Volksbegehren Grundeinkommen, die bereits mehr als 98.000 Unterstützungserklärungen sammeln konnte.
Umgesetzt wurde das BGE auf gesamtstaatlicher Form noch nirgendwo. In Deutschland haben seit 2014 mehr als drei Millionen Menschen zusammengelegt und 1.128 Grundeinkommen finanziert, die laufend verlost werden. Finnland war 2017 das erste Land der Welt, das ein solches Experiment auf breiterer Basis startete, mit 2.000 registrierten Arbeitslosen, für zwei Jahre. Darauf, wie viel die Menschen arbeiteten, hatte das BGE keinen Einfluss. „Geld ist nicht der einzige Grund arbeiten zu gehen: Arbeit bringt Sinn, Anerkennung, soziale Kontakte, das Gefühl, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten“, sagt Sorst. Was sich dagegen deutlich geändert hat: die Zahl der psychischen Erkrankungen. „Die Menschen haben Vertrauen und Zuversicht gelernt. In die Politik, in die Gesellschaft, in ihre Mitmenschen, in sich selbst“, fasst Sorst das finnische Pilotprojekt zusammen. Er entschärft damit auch Befürchtungen, die in einer Marketagent-Umfrage aus dem Frühjahr 2021 laut wurden, etwa, dass der Ansporn fehlen könnte, überhaupt noch arbeiten zu gehen.
Was sich für Georg Sorst mit dem BGE ändern würde? „Vermutlich nicht viel“, überlegt er. „Der Software-Entwickler weiß, dass er in einer privilegierten Situation ist, großes Glück hat, etwas machen zu können, das er gern macht, gut macht und das ihn finanziell absichert. „Ich finde, alle Menschen sollten diese Möglichkeit haben. Das BGE ermöglicht Freiheit in der Lebensgestaltung. Die Menschen werden die Möglichkeit haben, die Arbeitszeiten zu reduzieren, in der neu gewonnen Zeit ihren Interessen und Begabungen nachzugehen und sich für Dinge zu engagieren, die ihnen am Herzen liegen: die Feuerwehr oder die Rettung, Kunst oder etwas Neues, das sie schon immer ausprobieren wollten. Niemand wird mehr gezwungen sein, in Jobs zu arbeiten, in denen die Bedingungen schlecht sind, in denen viel gefordert wird – und die gleichzeitig schlecht bezahlt sind“, sagt Sorst und denkt dabei etwa an den Pflegebereich. „Hier wird sich das Preisgefüge sicherlich verschieben.“
Eine Frage, die immer wieder kommt, ist die der Finanzierung. „Viele Modelle kommen zu dem Schluss: Es geht sich aus“, sagt Sorst. Möglich sei eine Finanzierung über die Einkommenssteuer, eine Konsumsteuer, Vermögenssteuer. Welches Modell, es werden soll, schreibt die ARGE Volksbegehren Grundeinkommen nicht vor. „Wir wollen, dass sich der Gesetzgeber mit dem BGE beschäftigt. Die Details zu Höhe und Modell können wir dann gemeinsam ausdiskutiert.“
Eintragungswoche Volksbegehren Grundeinkommen: 2. bis 9. Mai 2022
Das BGE ist eine garantierte finanzielle Zuwendung ohne jegliche Gegenleistung oder Verpflichtung. In Europa gelten die Prinzipien bedingungslos, individuell, allgemein und existenzsichernd als unumstößliche Kriterien.