Nerven wie Drahtseile

 

von Verkäufer und Schreibwerkstatt-Autor Georg Aigner

Bei dem Leben, das ich geführt habe, da brauchte ich immer gute Nerven. Das war schon von Anfang an so. Besonders aber im Gefängnis. Wie das Leben im Gefängnis verläuft, hängt viel von den eigenen Nerven ab. Das hat mehrere Gründe. Einmal, weil es Tag für Tag immer das Gleiche ist. Dann will man mit den anderen Häftlingen immer ein gutes Verhältnis haben und mit den Beamten natürlich auch. Wenn aber Hunderte von Häftlingen zusammen sind, ist das ab und zu wirklich schwer, dass man sich mit jedem versteht, weil jeder eine andere Art hat. Aber auch für das Leben auf der Straße brauchst du gute Nerven. Zum Leben auf der Straße, da habe ich gesoffen, um es auszuhalten, aber trotzdem hat man ein Innenleben. Das heißt, man möchte ja normal wie die anderen leben, aber es geht nicht. In Stuttgart war ich auch einige Zeit. Dort habe ich versucht, bei einer Drückerkolonne Fuß zu fassen. Wir mussten Zeitungsabos an der Tür verkaufen. Das war sehr hart. Wenn man sein Tagessoll nicht erfüllt hat, dann gab es immer Strafen. Zum Beispiel ohne Essen ins Bett zu gehen oder Schläge. Das war unmenschlich. Nach drei Monaten hat es mir gereicht, ich bin in den nächsten Zug gestiegen und wieder nach Hause gefahren. Ich habe nach allem, was mir passiert ist, Nerven wie Drahtseile, und gut verpackt sind sie auch.