Das Unmögliche ist manchmal möglich
Jedes Jahr im Juni strömen Tausende Menschen zum Open-Air-Kino auf den Kapitelplatz oder laufen zugunsten herzkranker Kinder rund um den Dom. Die Frau, die hinter diesen Initiativen steckt, ist Cornelia Thöni. Die selbstständige Event-Organisatorin und Ex-Gemeinderätin hat jede Menge Ideen, Salzburg noch lebenswerter zu machen. Ihre neueste Projektidee gegen Einsamkeit und Altersarmut verrät sie im Apropos-Interview.
Titelinterview mit Cornelia Thöni
von Monika Pink
Frau Thöni, was bedeutet es für Sie, Ihrem Stern zu folgen?
Cornelia Thöni: Ich habe so eine grundsätzliche Unruhe in mir, dass ich immer versuche, die Lebensqualität in meinem Umfeld zu verbessern. Das ist für mich eine ganz wichtige Frage der Eigenwirksamkeit: Was kann ich mit meinen Möglichkeiten und mit meinen Mitteln bewegen? Ich habe das Glück, dass ich seit über 20 Jahren selbstständig bin und mir meine Projekte aussuchen kann. Das ist ein Privileg, und das nütze ich. Ich suche mir meine Herausforderungen und finde sie auch.
Greifen Sie mit Ihren Projekten nach den Sternen?
Cornelia Thöni: Manche Projekte scheinen zu Beginn unmöglich und es ist normal, dass nicht alle sofort „Juhu!“ schreien. Doch manchmal ist das Unmögliche auch wirklich möglich. Das habe ich schon öfters erlebt: Je mehr Menschen an etwas glauben und sich zusammentun, desto mehr Energie ist da und desto eher kommt es in die Umsetzung. Es beginnt mit einem Gedanken, dann folgen Worte und durch Zutun anderer Menschen wird es wahrscheinlicher, dass etwas wirklich Realität wird.
Wie kamen Sie auf den Gedanken für das Sternenkino am Kapitelplatz?
Cornelia Thöni: Ich besuche oft andere Orte und da sehe ich, was es wo gibt: München, Wien, Laibach, London, Brüssel, Amsterdam, Innsbruck, alle Städte haben ein Open-Air-Kino. Und dann denke ich mir: Warum gibt es das bei uns in Salzburg nicht? Wie könnte ich das da, wo ich wohne und lebe, umset-zen? Und zwar nicht nur punktuell, sondern als eine Art Festival, das alle Generationen anspricht.
Wie war die Reaktion auf Ihre Idee?
Cornelia Thöni: Viele Leute, vor allem in der Politik, haben gesagt, dass es ein völliger Blödsinn ist. Ich habe damals gegen viele Widerstände gekämpft: Der Bürgermeister und andere Politiker wollten es nicht. Doch die damalige Festspielpräsidentin Rabl-Stadler fand die Idee gut – und dann ist es gegangen. Die ersten drei Jahre war das Sternenkino rein privat finanziert, dann ist eine Förderung dazugekommen. Das war schon ein Kampf. Und jetzt, nach acht Jahren, haben viele gemerkt, dass es eine schöne Sache und eine Bereicherung für die Stadt ist. Auch das Publikum nimmt es sehr gut an.
Was ist das Besondere am Sternenkino?
Cornelia Thöni: Es ist eine Kombination aus qualitativem Programmkino und der Möglichkeit, die Stadt anders zu erleben, nämlich auf eine legere Art und Weise. Wann sitze ich denn schon auf einer Picknickdecke bei einer öffentlichen Veranstaltung, die auch nichts kostet? Und kann sogar mein Essen selber mitbringen – und das mitten in einer Stadt, die oft anderen Publikumsschichten vorbehalten ist? Salzburg sollte viel mehr Orte haben mit Begegnungszonen, wo man sich ohne Konsumationszwang aufhalten kann, vor allem auch für Familien!
Dafür haben Sie sich ja auch in Ihrer Zeit als Neos-Gemeinderätin stark eingesetzt…
Cornelia Thöni: Ich habe selber zwei Kinder, und du kannst nicht permanent in Lokale gehen, wo es auch oft keine Infrastruktur wie Wickelkommoden gibt. Und dann wundert man sich, warum die Leute die Altstadt zu wenig frequentieren. Wenn ich als Kind gern mit der Familie in die Stadt gehe, werde ich sie als Erwachsene gern besuchen. Wenn ich als Kind schon nicht hingehe, weil die Eltern nicht hingehen, weil es teuer ist und ich keine Aufenthaltsqualität habe, dann werde ich es später auch nicht tun. Das ist schade.
Welche Verbesserungsvorschläge hatten Sie da konkret?
Cornelia Thöni: Mein großes Thema als Gemeinderätin waren die Salzachufer, die gehören dringend gestaltet! Denn was ist jetzt? Die Leute steigen ins Auto und fahren an den See. Wer kein Auto hat, bleibt in der Stadt. Es wäre viel umweltfreundlicher das zu nutzen, was wir haben: Wir haben die Salzach, wir haben Ufer. Warum gestalten wir sie nicht so, dass es einladend ist? Jetzt müssen die Leute da sitzen, wo alle Hunde Gassi gehen. Doch die Ideen, die ich im Gemeinderat gebracht habe, sind nicht aufgenommen worden. Insgeheim glaube ich, manche haben sie gut gefunden und durften es nicht sagen, weil ich Teil der falschen Fraktion war.
Ist das Ihr Fazit nach Ihrem Ausflug in die Politik?
Cornelia Thöni: Ich bin 2014 frohen Mutes in die Politik gegangen und habe viele Ideen gehabt. Aber in den fünf Jahren im Gemeinderat bin ich draufgekommen, dass da niemand was verändern wollte. Das war Verwalten und nicht Gestalten. Es war eine gute Erfahrung, aber das würde ich nie mehr machen. Wenigstens ein Projekt konnte ich als Gemeinderätin realisieren, obwohl der Bürgermeister dagegen war – eines der wichtigsten Projekte, die ich je gemacht habe: „Die letzten Zeugen“.
Worum ging es in diesem Projekt?
Cornelia Thöni: „Die letzten Zeugen“ war ein Theaterstück des Wiener Burgtheaters mit fünf der letzten Holocaust-Überlebenden, darunter Marko Feingold. Sie haben gemeinsam mit Burgschauspielern anhand ihrer persönlichen Erlebnisse Einblicke in das Grauen des Holocausts gegeben. Diese Aufführung ist zehn Mal am Burgtheater in Wien und dann 30 Mal in Deutschland gelaufen, mit tollem Echo. Die allerletzte Aufführung jemals, bevor die Zeitzeugen gestorben sind, habe ich 2015 mit Hilfe von Sponsoren nach Salzburg gebracht. Das Landestheater war zwei Mal bis auf den letzten Platz gefüllt.
Was tun Sie, wenn Sie merken, dass ein Projekt unter keinem guten Stern steht?
Cornelia Thöni: Es gibt kein Projekt, das einfach von selber läuft. Dass es immer wieder Schwierigkeiten gibt, gehört dazu. Aber wenn man diese als Herausforderungen sieht, dann sucht man eine Lösung. Und das tu ich. Ich gebe nicht so schnell auf, das ist es vielleicht.
Wenn ein Projekt für mich so interessant ist, dass ich das wirklich will, versuche ich den Weg zu finden, bis es eine Lösung gibt.
Eine Initiative mit viel Strahlkraft ist Ihr „Herzkreislauf“, der im Juni stattfand. Wo-rum geht es dabei?
Cornelia Thöni: Der Herzkreislauf ist ein karitativer Lauf zugunsten herzkranker Kinder in der Stadt Salzburg. Es werden Runden um den Dom gelaufen; am Vormittag laufen über 2000 Schulkinder, und am Nachmittag gibt es den Genusslauf und den „hart-aber-herzlich“-Lauf für Ambitionierte. Alle vereint, dass sie sich gern bewegen und dabei etwas Gutes tun. Heuer sind wir für Viktor gelaufen, ein junger Bursche mit stark ausgeprägtem Autismus, der mehrfach herzoperiert ist und mit seinem alleinerziehenden Vater lebt.
Wie kamen Sie auf die Idee zum Herzkreislauf?
Cornelia Thöni: Ich habe selber ein herzkrankes Kind und habe erlebt, dass man als Familie echt an die Grenzen kommt: Ein Elternteil ist in der Regel mit dem Kind in einer Spezialklinik, der zweite Elternteil muss meistens für den Unterhalt sorgen, an einem anderen Ort arbeiten und hat oft noch Geschwisterkinder zu betreuen. Diese Situation geht oft Wochen, Monate oder Jahre. Das halten viele nicht aus. Rund 80 Prozent der Familien mit einem herzkranken Kind zerbrechen. Es kommen viele Schwierigkeiten zusammen – und die wirtschaftlichen eben dazu. Seit 2022 unterstützen wir daher jedes Jahr eine betroffene Familie mit dem Herzkreislauf.
Wie ist es Ihnen selber in der Situation ergangen?
Cornelia Thöni: Meine Tochter hat einen komplexen Herzfehler und war eigentlich
dem Tode geweiht. Man hat mir in der Schwangerschaft gesagt, sie sei nicht lebensfähig. Das hat mein Leben auf einen Schlag komplett verändert. Direkt nach der Geburt wurde sie operiert, wir haben Wochen im Spital in Linz verbracht, das hat mich sehr gefordert. Dann sind wir irgendwann aus dieser Klinikzeit herausgekommen und es ist ihr überraschenderweise immer besser gegangen. Sie ist eine Kämpfernatur und hat mir jeden Tag gezeigt: Das ist mein Weg und ich habe die Power. Aus dem worst case wurde der best case, es ist ein Wunder, dass das möglich war.
Was raten Sie Eltern in solch schwierigen Lagen?
Cornelia Thöni: Es ist extrem wichtig, dass man gut auf sich selber schaut. Das ist mir nicht immer gelungen, ich habe Erschöpfungszustände gehabt. Doch es nützt nichts, wenn sich alles um das Kind dreht und die Mutter dabei zugrunde geht. Sich selber was Gutes tun, eine Auszeit nehmen, obwohl die Herausforderung so anstrengend und omnipräsent ist, das wäre total wichtig. Aber das habe ich erst lernen müssen. Als es meiner Tochter zunehmend besser ging, hat das wieder Freiräume für mich eröffnet. Denn im ersten Moment hab ich mir gedacht: Mein persönliches Leben und meine Karriere sind erledigt, mein wirtschaftliches Tun kann ich vergessen.
Glücklicherweise war dem nicht so. Wie haben Sie Ihren Alltag organisiert?
Cornelia Thöni: Ich arbeite seit jeher im Homeoffice, damit habe ich Arbeit und Familie gut unter einen Hut bringen können. Jetzt geht es schon sehr gut, unsere Kinder sind inzwischen 12 und 17 Jahre alt. Ich habe es mir als Selbstständige so richten können, aber natürlich auch mit gewissen Risiken. Ich hatte nie ein fixes Gehalt, die Unwägbarkeiten der Selbstständigkeit kenne ich, aber man muss sich halt entscheiden. Ich habe viele gesehen, die total gestresst waren, weil sie Punkt 8 im Büro sein mussten, das Kind aber krank war, irgendwas in der Firma fertig zu machen war … ich konnte es mir leichter einteilen.
Was zieht sich als Fixstern durch Ihr Tun?
Cornelia Thöni: Ich halte nichts davon, nur zu kritisieren und aus der dritten Reihe zu rufen, was alles nicht funktioniert. Mein Ansatz ist, eigenverantwortlich etwas zu tun oder zu versuchen, etwas zum Besseren zu bringen. Es sind oft nur bescheidene Möglichkeiten, die man hat. „Was ist denn mein Beitrag?“ ist die Frage, die ich mir stelle. Ich würde gern noch mehr bewegen, aber es geht halt nicht alles.
Das Sternenkino und der Herzkreislauf haben soeben stattgefunden – was steht bei Ihnen als Nächstes am Programm?
Cornelia Thöni: Ich denke seit Langem über ein Generationencafé in Salzburg nach, ein Kaffeehaus, in dem ältere und jüngere Menschen zusammenarbeiten in einem gastronomischen Sozialprojekt. Das ist eine Idee gegen Einsamkeit und gegen Altersarmut, die ich für sinnvoll halte und gerne umsetzen möchte. Einsamkeit ist generell ein großes Thema in Salzburg, deswegen haben wir 2022 zu siebt die Initiative GEMeinsam ins Leben gerufen, die große Resonanz erfahren hat.
Wie ist die Initiative GEMeinsam entstanden und was konnte sie bewirken?
Cornelia Thöni: Diese Initiative hat sich gebildet, nachdem Barbara Haimerl in den SN über eine ältere Frau in Salzburg geschrieben hat, deren Mann verstorben war und die sich einsam fühlte. Auf diesen Artikel haben sich über 600 Leute bei den SN gemeldet, denen es auch so ging. Wir haben diese Leute im Mai 2022 nach St. Virgil eingeladen und in Gruppen vernetzt, die interessensmäßig zusammenpassen: Kultur, Tanz, Wandern, Kreatives … Diese Gruppen gibt es zum Teil immer noch, die haben ihr Freizeitverhalten verändert und begonnen, miteinander Dinge zu erleben. Auch der Wunsch nach einem Generationencafé ist dort geäußert worden.
Wie weit ist die Idee des Generationencafés schon gediehen?
Cornelia Thöni: Wir sind im Prozess, und ich hab schon viel Energie in die Umsetzung gesteckt. Wie es bei solchen Projekten immer ist, benötigt man auch viel Initiative von ein paar anderen Menschen. Jedes Projekt birgt die Chance auf potenzielles Scheitern, daher braucht es von allen Seiten Mut, Unwägbarkeiten einzugehen. Aber nachdem ich ja weiß, dass Unmögliches möglich ist, würde ich mich schon trauen, das durchzuziehen und einfach auszuprobieren.
Also werden wir schon bald Omas Kuchen serviert vom jungen Studenten in Salzburg genießen können?
Cornelia Thöni: Ich setze alles daran, das Projekt umzusetzen. Es wäre schade, diese Chance zu vertun. Ich kann vieles dafür tun, ich kann es aufstellen, aber ich kann es nicht 40 Stunden in der Woche oder sechs Tage die Woche selber führen. Und bis jetzt sind mir immer die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt begegnet, insofern bin ich sehr zuversichtlich. Meine Botschaft ist: Es geht mehr, als man denkt!