Auf dem Fußballfeld zurück ins Leben

 

Nur weil es wenig bekannt ist, ist es nicht weniger wahr: Österreich war einmal Fußballweltmeister. Und zwar bei einer Meisterschaft, die 2003 auf dem Grazer Hauptplatz ausgetragen wurde: beim ersten Homeless World Cup. Seit Mai trainiert auch in Salzburg eine Mannschaft.

 

von Sandra Bernhofer

 

Einmal sind es mehr, einmal weniger Männer und Frauen, die sich mittwochs um 15.30 Uhr im Sportzentrum Nord einfinden. Aber immer genug, dass sich ein Match ausgeht. „Die Leute wissen: Wenn Mittwoch ist, dann spielen wir – auch wenn das Wetter einmal nicht ganz so gut ist“, sagt Stefan Lechner. Als Leiter des Fachbereichs „Zivilgesellschaftliches Engagement“ der Caritas Salzburg hat er die Mannschaft ins Leben gerufen. „Unser eigentliches Ziel ist es nicht, auf ein Match hinzutrainieren, sondern dass Menschen am Rand der Gesellschaft regelmäßig Sport machen können. Wir wollen Wertschätzung vermitteln, Spaß, Teamgeist und helfen, Struktur ins Leben zu bringen.“

Das Projekt Homeless World Cup begann 2003 mit einem Knall: einer Weltmeisterschaft. Als europäische Kulturhauptstadt war Graz damals Austragungsort der Straßenfußballweltmeisterschaft für Menschen „vom Rand der Gesellschaft“. Jetzt sei es an der Zeit, die Struktur an der Basis aufzubauen. Diese Überzeugung teilt Lechner mit dem Trainer der österreichischen Obdachlosen-Nationalmannschaft, dem früheren Fußball-Profi Gilbert Prilasnig. Der Salzburger Verein ist einer von drei in Österreich, neben jenem in Graz und einem in Wien. „Sport macht ganz viel mit Menschen“, weiß Stefan Lechner, der selbst jahrelang als Fußballer aktiv war. „Wer an den Rand rutscht, verliert häufig die Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen. Mit der Zeit wächst die Hemmschwelle, sich einem Team anzuschließen. Die wollen wir abbauen. Bei uns muss sich keine:r fragen: Bin ich gut genug? Bei uns sind alle herzlich willkommen, die gerne Fußball spielen wollen.“

Obdachlosigkeit ist übrigens kein Mitmachkriterium, auch Straßenzeitungsverkäufer:innen, Flüchtlinge und Menschen mit Alkohol- oder Suchtproblemen kicken sich am Platz in Salzburg-Liefering zurück zu mehr Stabilität und Struktur im Leben – zumindest für eine gewisse Zeit. Sechs gegen sechs spielen üblicherweise im Kleinfeldturnier, aber je nachdem, wie viele kommen, werden die Teams zusammengewürfelt. Dabei sei das Miteinander wichtiger als der Sieg: Gemeinsam richten die Spieler:innen den Platz her, haben Spaß beim Training, Kontakt mit anderen. „Wir haben zwei Trainer gesucht, die das Herz dafür haben. Beide sind Fußball-Profis, einer spricht Arabisch. Da kann er auf die vielen Menschen mit Fluchthintergrund eingehen, die zu uns kommen“, sagt Lechner.

Schnell hat sich gezeigt, dass der Teamsport Fußball großes Potenzial birgt – beim Homless World Cup wie auch bei der Salzburger Mannschaft. Die Spieler:innen erleben Teamgeist, Motivation, Anerkennung, treten über den Sport aus ihrer sozialen Isolation heraus. Der Homeless World Cup ist mittlerweile ein globales Event. Menschen aus rund 70 Nationen treten jährlich an, um über den Fußball einen Schritt hin in ein normales Leben zu tun. Austragungsorte waren bereits Paris, Mailand, Rio de Janeiro oder Mexiko City – 2023 ist New York an der Reihe.

Vielleicht sind dann sogar Spieler:innen aus Salzburg dabei. Österreichische Partnerin des internationalen Homeless World Cups ist die Caritas Steiermark. Sie koordiniert das österreichische Nationalteam, das jedes Jahr neu zusammengestellt wird. Einmal in Leben darf man beim Homeless World Cup sein Können unter Beweis stellen. Für viele sei das ein Ziel, auf das sie hinarbeiten, sagt Lechner: „Das macht etwas mit den Menschen. Vielen gelingt es, tatsächlich etwas in ihrem Leben zu ändern.“

INFO

Das streetfootbAll-Training findet immer am Mittwoch um 15.30 Uhr im Sportzentrum-Nord in Liefering statt, Josef-Brandstätter-Straße 10. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Kontakt: streetfootball@caritas-salzburg.at