Das beste aller Länder

 

Ifeanyi Maduakor lebt seit März 2024 in Österreich. Gemeinsam mit Frau und Kind steht der gebürtige Nigerianer vor einem Neustart. Einem, der ihm gar nicht schnell genug gehen kann. 

von Bernhard Morawetz

Der Tag, an dem ich Ifeanyi Maduakor treffe, fühlt sich nach Spätherbst an. Dabei haben wir erst Mitte September. Die schon stark schwächelnde Sonne versteckt sich hinter Wolken und ich rechne jeden Moment damit, dass es zu regen beginnt. Über den Mann, dem ich gleich begegne, weiß ich fast nichts. Nur, dass er aus Lagos in Nigeria nach Österreich gekommen ist und als Apropos-Verkäufer arbeitet. Ob ich ihn nach seiner Flucht fragen soll? Vor meinem geistigen Auge ziehen Bilder von Menschen vorbei, die sich mit letzter Kraft durch die Sahara schleppen. Die in kleinen Booten das Mittelmeer durchqueren und dabei ihr Leben riskieren. Die nach Jahren der Flucht völlig mittellos und oft allein in Österreich ankommen.

„Ich bin mit meiner Frau und meinem Sohn im März nach Österreich gekommen. Meine Frau macht in Salzburg einen Master in Politikwissenschaften. Wir haben schon in Nigeria begonnen, Deutsch zu lernen. Nachdem wir in der Hauptstadt einen Monat auf das Visum gewartet haben, sind wir zurück nach Lagos, haben gepackt und alles Übrige verkauft. Über Istanbul sind wir nach Salzburg geflogen.“

Maduakor trägt ein Hemd mit afrikanischem Muster, darüber ein Gilet. Ich bestelle Kaffee, er nichts, obwohl er eingeladen wäre. Er spricht leise, erzählt aber gerne. Dass es eine unvorstellbar schwierige Entscheidung gewesen sein muss, sein Zuhause in Nigeria zu verlassen, denke ich. Das geregelte Leben in der Heimat gegen die Ungewissheit in der Fremde zu tauschen. An einem neuen Ort ganz von vorne anzufangen.

„Wir in Afrika glauben daran, dass es außerhalb Afrikas ein besseres Leben gibt. Und das stimmt. Seitdem ich in Österreich bin, sehe ich positive Veränderungen in meinem Leben. Ich kann mir mehr leisten. Niemand bedroht mich und will mein Geld oder mein Handy rauben. Man läuft nicht Gefahr, auf der Straße ums Leben zu kommen, weil alle so rücksichtslos fahren. Es gibt weniger Krankheiten, weniger Luftverschmutzung. In Nigeria kümmert sich die Regierung darum nicht. Es ist nicht sicher dort. Es kann dir dort alles passieren. Selbst die Polizei kann dich entführen. Hier in Österreich funktioniert einfach alles perfekt. Österreich ist so viel besser. Österreich ist das Beste. Ganz ehrlich.“

Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal jemanden so positiv über Österreich sprechen gehört zu haben. Es ist gerade Intensivwahlkampf für die Nationalratswahl. Was ich dabei von der in den Umfragen führenden Partei höre, klingt nach einem ganz anderen Land als jenem, von dem mir Ifeanyi Maduakor erzählt.

„Österreich haben wir ausgewählt, weil es ein sicheres Land ist. Wir haben recherchiert und bemerkt, dass Österreich schon mehrmals als lebenswertestes Land der Welt ausgezeichnet wurde. Und es ist nicht so teuer wie zum Beispiel Großbritannien oder die USA, wo du so viel für die Ausbildung zahlen musst. Österreich ist leistbar. Niemand hier schläft unter der Brücke. Das ist sehr gut. Wenn du dich in Österreich nicht an Regeln hältst, wirst du bestraft. In Nigeria reicht es, wenn du den Polizisten bestichst. In Österreich geht das nicht. Hier wird das Recht respektiert.“

Wenn das nur mehr Menschen in Österreich so sehen und schätzen würden, denke ich. Doch auch wenn Maduakor von Österreich schwärmt, den immer wieder – und gerade in Wahlkampfzeiten – aufblitzenden Rassismus wird er sicher bemerkt haben. 

„Ich bin hier nie diskriminiert worden, weil ich schwarz bin. Einmal bin ich am Bahnhof von der Polizei kontrolliert worden. Ich habe gesagt ,Kein Problem, ihr macht einen wichtigen Job‘. Danach haben sie andere Menschen kontrolliert, die weiß waren. Letzten Sonntag war ich mit meiner Familie am Rupertikirtag in Salzburg. Wir waren die einzigen Schwarzen dort. Es gab keinen Rassismus. Niemand hat gefragt, wieso wir auch da sind. Die Menschen waren einfach gut drauf und wollten Fotos mit uns machen.“

Ob Maduakor das wirklich so empfindet, frage ich mich. Ob er nichts vom weitverbreiteten Vorurteil weiß, dass Zugewanderte lieber von Sozialleistungen leben, anstatt arbeiten zu gehen.

„Das Schwierigste in Österreich ist, einen Job zu finden. Zuerst muss man am AMS registriert sein. Das dauert normalerweise zwei, drei Wochen. Bei mir hat es vier Monate gebraucht. Das war schon frustrierend. Was ich gut kann, ist Videos zu produzieren, Webdesign und Webentwicklung. Aber sehr viele der IT-Jobs sind in Linz oder in Wien. Die Firmen in Salzburg brauchen jemanden, der Deutsch spricht, sagen sie. Ok, sage ich, ich lerne Deutsch. Von der nächsten Regierung wünsche ich mir, dass sie den Einstieg in den Arbeitsmarkt einfacher macht, wenn du die notwendigen Qualifikationen mitbringst. Denn wenn wir arbeiten, dann können wir mit den bezahlten Steuern auch etwas für die Gesellschaft beitragen.“

Also ist es doch nicht so, dass Maduakor nur die besten Seiten an Österreich entdeckt hat? Dass er auch Vorstellungen davon hat, wie das Land, das seine neue Heimat werden soll, noch besser werden könnte?

„Es sollte schneller möglich sein, die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Ich habe gehört, dass es zehn Jahre dauert oder noch länger. In Kanada sind es vier, auch in Japan. Wir lieben Österreich, wir sollten einfacher die Staatsbürgerschaft bekommen. Und wenn jemand hier geboren wird, dann sollte das Kind jedenfalls Österreicher sein. Das ist ja sein Zuhause. Es sollte außerdem einfacher sein, eine Wohnung zu finden. Es müsste vielleicht mehr gebaut werden und es bräuchte mehr Wohnungen für größere Familien.“

Nach dem Interview schlendern Maduakor und ich noch gemeinsam Richtung Bus. Ich habe einen Mann kennengelernt, der mich mit seiner positiven Einstellung beeindruckt. Der möchte, dass seine Kinder hier in die Schule gehen und sich hier integrieren. Der sich wünscht, dass Österreich sein Zuhause wird. Und der sich gleichzeitig Sorgen macht, ob sein Visum und das seiner Familie im kommenden März verlängert wird. Wir kommen an Wahlplakaten vorbei und ich habe Angst vor dem, was nach der Wahl auf Menschen wie Ifeanyi Maduakor zukommen könnte.

„Pass auf dich auf“, sagt er zum Abschied.