„Es geht uns gut, weil wir zuhause helfen können“
Im September 2020 ist das letzte Porträt von Monica und Daniel in „Apropos“ erschienen. Seither hat sich nicht viel geändert, meinen die beiden auf meine Frage, aber viele Probleme sind dazugekommen.
von Ines Schütz
Monicas Schwiegersohn ist schon lange krank, inzwischen sind beide Nieren nicht mehr voll funktionsfähig, eine Transplantation kann sich die Familie aber nicht leisten. Mit 200 Euro Pension kommt der Schwiegersohn nicht weit, wenn 10.000 Euro verlangt werden, bevor er als Patient überhaupt „angeschaut“ wird, wie Daniel erzählt. Da reicht auch das Geld, das aus Österreich kommt, bei Weitem nicht. Solange Monica und Daniel helfen, wird es schon irgendwie weitergehen, sagen sie, eine andere Möglichkeit haben sie nicht.
Wäre Monicas Schwiegersohn gesund, dann hätte ihre Tochter mit den Enkelkindern, die jetzt 11 und 13 Jahre alt sind, in den Ferien nach Österreich kommen können, aber sie kann ihren kranken Mann nicht alleine lassen. Auch die Zukunft der Enkelkinder in Rumänien macht Monica Sorgen. Wenn sie mit der Schule fertig sind, werden sie keine Arbeit finden, und nach den 8 Jahren Schulpflicht beginnt man zu bezahlen … Ihre Enkelkinder haben nur Chancen auf Bildung in Rumänien, wenn Monica und Daniel Geld schicken, das wissen sie.
Auch Daniel hat, wie Monica, zwei Kinder und zwei Enkelkinder. Seitdem Monica und er ein Paar sind, verstehen sie sich als eine große Familie: Sie unterstützen zuhause die, die Unterstützung am nötigsten haben, und soweit sie können. Dafür verkaufen sie hier Zeitungen, Monica in Bischofshofen und Daniel vor dem Billa-Markt in Schwarzach, der Chef des Marktes ist einer seiner Stammkunden. Daniel hat seinen Platz schon so lange dort, dass er irgendwie dazugehört, und wenn er wo helfen kann, packt er auch mal mit an.
Monica arbeitet seit einem Jahr als Reinigungskraft in einer Schule, nach 6 bis 8 Stunden Zeitungsverkauf beginnt ihr Job dort. Sie ist froh über diese Arbeit, über die sie geringfügig beschäftigt ist, auch weil sie sich so versichern kann. So konnte sie sich auch einer notwendigen Operation unterziehen, die sie gut überstanden hat. Die größte Hürde im Krankenhaus war, dass sie Deutsch nicht gut versteht und nie so genau wusste, was ihr das Krankenhauspersonal sagen wollte. Monica hat drei Schulklassen „und einen schweren Schädel“, wie sie lachend erzählt. Aber sie ist stolz darauf, dass sie ihre Arbeit im Reinigungsteam hat. An ihrem Arbeitsplatz wird Deutsch gesprochen, dort versteht sie alles. Für die Schule war in ihrer Kindheit nicht viel Zeit, auch bei Daniel nicht, sie haben schon früh als Taglöhner gearbeitet und sind mit ihren Familien dorthin gezogen, wo es Arbeit gab. So ging es von Schule zu Schule und nach dem Unterricht aufs Feld.
Früher waren die Zeiten in Rumänien so, dass man leben konnte, sagt Daniel. Er hat Arbeit gehabt, man konnte sich selber versorgen, er wäre nie weggegangen, wenn es diese Möglichkeiten weiter gegeben hätte. Aber als die Baufirma, für die er gearbeitet hat, insolvent war, war es damit vorbei. 13 Jahre hat Daniel dann in Italien gearbeitet, in Rom, Ancona und Florenz, auf Baustellen oder in der Landwirtschaft. Bis es auch dort schwierig wurde, weil immer mehr gekommen sind, um Arbeit zu suchen, nicht nur aus Rumänien. Seit etwa 9 Jahren ist Daniel nun in Österreich, über Bekannte ist er zu „Apropos“ gekommen. Auch bei der Caritas hat er gearbeitet, als Dolmetscher für Rumänen oder beim Verliefern von Kleidungsstücken. Deutsch hat er hier gelernt, auch mithilfe seines Handys, wie er erzählt.
Und Monica hat er ebenfalls hier kennengelernt, bei der Caritas und bei der Erdbeerernte, und Daniel ist dankbar dafür, dass es so gekommen ist. Zuhause in Rumänien wären sie einander wohl nie über den Weg gelaufen, weil ihre Heimatorte viel zu weit voneinander entfernt sind.
Monica ist jetzt über 6 Jahre in Bischofshofen, sie ist gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrem Vater gekommen. Der Vater war schon vor ihr hier, mit ihm hat sie gelebt und alles geteilt, bis ihn ein tragischer Unfall im Juni 2021 das Leben gekostet hat. Beim Versuch, die Handtasche, die einer Frau über die Uferböschung gerutscht war, zu holen, ist er selbst abgestürzt. Nach einer groß angelegten Suchaktion konnte er zwei Tage später nur mehr tot aus der Salzach geborgen werden. Dieses Ereignis war für Monica traumatisch, die Dauer der polizeilichen Untersuchungen danach sowie die Schwierigkeiten rund um die Überführung nach Rumänien mehr als belastend. Nur dank der Hilfe von Freunden und Bekannten, von Menschen, die ihre „Apropos“-Zeitungen beim Verunglückten gekauft hatten, oder dem ehemaligen Chef von „Apropos“ konnten sie die Überführung des Verstorbenen nach Rumänien finanzieren. Ein Jahr und zwei Monate später ist auch Monicas Mutter gestorben.
Es beschäftigt Monica noch heute, dass sie so wenig über den Unfallhergang weiß. Es wurde ihr gesagt, eine Halleinerin habe versucht, ihren Vater zu retten. Gerne würde sie mit dieser Frau, die auch den Notruf getätigt hat, sprechen. Ein Zusammentreffen war eigentlich auch geplant, aber nach ihrer Rückkehr vom Begräbnis in Rumänien konnte der Kontakt nicht mehr hergestellt werden. Was sie dieser Frau sagen wollen würde, frage ich Monica. Sie hat nur das Bedürfnis zu wissen, wie es passiert ist, antwortet sie, was diese Frau gesehen hat, wie es war.
Viele Probleme sind dazugekommen, ja. Aber trotzdem sind Monica und Daniel dankbar, dass sie hier sein können, hier geht es ihnen besser, sagen sie. Daniel erklärt das noch genauer: Es geht ihm gut, weil er weiß, dass er anderen zuhause helfen kann. Er ist nun schon so viele Jahre da, dass die meisten ihn kennen, und wenn er niemandem Probleme macht, hat er auch keine, so sieht er das. Seit letztem Jahr wohnen sie zur Miete in der Wohnung eines Freundes, drei- bis fünfmal im Jahr fahren sie nach Rumänien, auch weil sie inzwischen nach drei Monaten aus- und wieder einreisen müssen, das wird kontrolliert.
Am meisten vermissen die beiden ihre Kinder und Enkelkinder in Rumänien. Das selbst eingelegte Kraut für Sarmale schickt Monicas Tochter regelmäßig, damit auch in Österreich die traditionellen Krautrouladen gekocht werden können. Zum Abschluss unseres Gesprächs möchten sich Monica und Daniel bedanken: bei ihren Kunden und beim Team von „Apropos“. Und – hier schließe auch ich mich an – bei der Dolmetscherin, ohne sie wäre unsere Unterhaltung nicht möglich gewesen.