Regenbögen braucht das Land
Das Land bunter machen – dieses Ziel verfolgt der 25-jährige Salzburger Florian Niederseer. In seiner Heimatgemeinde Unken hat er sich als queerer Jugendlicher nicht immer zu Hause gefühlt. Das änderte sich, als er 2021 mit der Unken Pride die erste Pride Parade auf dem Land veranstaltete.
Titelinterview mit Florian Niederseer
von Julia Herzog
Aufwachsen in Salzburg – was verbindest du damit?
Florian Niederseer: Bis vor wenigen Jahren habe ich mich von meiner Heimat sehr distanziert gefühlt. Ich habe mich mit 13 geoutet und daraufhin einige negative Erfahrungen gemacht. Mein nahes Umfeld hat zum Glück sehr positiv reagiert. Aber im Außen, von Leuten, die mich nicht mal wirklich gekannt haben, wurde ich oft beleidigt. Beim Fortgehen kam es immer wieder vor, dass mich Leute beschimpft haben, die ich nur vom Sehen her kannte. Ein eindrückliches Erlebnis war mit 14, als ich von einem Mann bei einem Zeltfest mit Bier beschüttet wurde. Ich habe mich dann oft gefragt: Was habe ich denen eigentlich getan?
Warum bist du nach diesen Erlebnissen zurückgekehrt in dein Heimatdorf?
Florian Niederseer: Ich habe die Oberstufe in der Slowakei abgeschlossen und dann vier Jahre in Glasgow Geschichte und Soziologie studiert. Durch die Erfahrungen meiner Jugend war die Ferne für mich nichts Angsteinflößendes. In meiner Zeit im Ausland habe ich gelernt, mich selbst zu lieben, und wurde auch von anderen so wertgeschätzt und geliebt, wie ich bin. Irgendwann dachte ich mir, dass es hilfreich wäre, diese positive Einstellung zurück nach Hause zu bringen. Um mir und anderen zu zeigen, dass man anders sein und trotzdem ein akzeptierter Teil der Gemeinschaft sein kann – auch auf dem Land. Mit meiner Rückkehr habe ich mir meine Identität zurückerkämpft und erkannt: Ich gehöre auch hierher. Ich bin ein Unkener.
2021 hast du das erste Mal die Unken Pride veranstaltet. Wie bist du auf die Idee gekommen?
Florian Niederseer: Ich hatte schon lange den Plan, Unken ein bisschen bunter zu machen. Mein erster Gedanke war, eine Regenbogenfahne dort zu hissen, wo sie auch gesehen wird – am Kirchturm. Das erschien mir als starkes Zeichen, weil die Kirche am Land nach wie vor eine große Rolle spielt, wenn es um den Zusammenhalt in der Gemeinde geht. Außerdem war ich als Kind Ministrant und kenne Nächstenliebe als einen christlichen Wert, den man nicht nur predigen, sondern auch leben sollte. Als ich mit unserem Pfarrer über die Idee gesprochen habe, stimmte er überraschenderweise sofort zu. Mit seiner Unterstützung wurde eine große, schöne Regenbogenfahne am Kirchturm aufgehängt.
Das wichtige Zeichen blieb aber nicht lange bestehen …
Florian Niederseer: Nein. Ein paar Tage nachdem die Fahne gehisst wurde, war sie plötzlich verschwunden. Laut Polizei wurde sie runtergeschnitten. Ich weiß bis heute nicht, wer es getan hat. Für mich stand sofort fest: Wir können nicht diesen wundervollen Schritt nach vorn machen, um dann zurückgedrängt zu werden und an der Stelle stehen zu bleiben. Das wäre demoralisierend für alle, die kurz aufatmen konnten. Daraufhin habe ich mit dem damaligen Veranstalter der Salzburg Pride gesprochen und die Idee der Unken Pride entwickelt. Nach dem Motto: Wenn eine Regenbogenfahne verschwindet, kommen hundert neue.
Wie haben die Menschen auf die Unken Pride reagiert?
Florian Niederseer: Bei der ersten Unken
Pride haben wir damit gerechnet, dass, wenn wir Glück haben, 50 Leute kommen. Letztlich waren knapp 200 Menschen da und haben gemeinsam die erste ländliche Pride in Österreich gefeiert. Mittlerweile gibt es in mehreren kleinen Gemeinden auf dem Land Pride-Paraden, die von der Unken Pride inspiriert wurden. In der Community gilt die Unken Pride inzwischen als Symbol dafür, dass queer sein nicht nur eine Sache für die Großstädte ist. Das freut uns natürlich sehr.
Wie kommt die Unken Pride in der Gemeinde an?
Florian Niederseer: In den letzten Jahren hat es viel positives Feedback gegeben. Mich haben immer wieder Leute in Unken auf der Straße angesprochen und gesagt: „Hey Flo, coole Sache, die ihr da macht!“ Dabei ist jede Person, die aus Unken kommt und an der
Pride teilnimmt, eine große Verstärkung. Denn für eine lokale Person ist es eine nochmal größere Hürde, an so einer Veranstaltung teilzunehmen, weil es doch ein Outing ist und man damit zeigt, dass man selbst eine queere Person ist oder diese unterstützt. Es ist schon leichter, zur Pride nach München zu fahren, als in der eigenen Heimatgemeinde auf die Straße zu gehen. Von daher freue ich mich riesig über jede Person aus Unken, die zur Unken Pride kommt.
Welche Rolle spielt Tracht bei der Unken Pride?
Florian Niederseer: Eine große. Wer eine Tracht hat, kann sie gern zur Unken Pride anziehen. Wir sehen es so, dass sich queere Kultur und Trachtenkultur nicht ausschließen, sondern wunderbar ergänzen. Denn man kann auch bei Tracht über das binäre Mann-Frau-Denken hinausgehen und experimentieren. Bei der letzten Pride hatten wir beispielsweise die Dragqueen Gigi La Pajette als Performerin, die Tracht in ihren Dragshows einbaut. Das ist super angekommen bei den Leuten.
Wann wurde der Verein Heublumen gegründet?
Florian Niederseer: Die Heublumen entstanden im März 2023 aus der Idee heraus, dass die Unken Pride etwas bewirkt hat. Wir haben uns überlegt, was wir noch tun können, um queere Menschen am Land zu unterstützen. In den Städten gibt es in dem Bereich ja schon Organisationen wie die Hosi Salzburg oder die RosaLila PantherInnen in Graz, die sehr gute Arbeit leisten. Am Land fehlte das bisher. Dafür haben wir die Heublumen als eine ländliche queere Organisation gegründet, die Communitys stärkt und sichtbar macht, aber gleichzeitig auch Verständnis in der Bevölkerung schaffen möchte.
Wie sieht diese Bewusstseinsarbeit aus?
Florian Niederseer: Wir veranstalten monatlich Heublumen-Stammtische, die von Ortschaft zu Ortschaft wandern, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Die Stammtische finden öffentlich statt und jede:r, der oder die möchte, kann teilnehmen. Sie sollen ein sicheres Umfeld bieten, um über die vielfältigsten Themen rund um LGBTQIA+ sprechen und Fragen stellen zu können. Dabei ist mir immer wichtig, zu betonen, dass jede Frage erlaubt ist und man keine Angst haben muss, jemandem auf den Schlips zu treten. Gerade viele Eltern wollen das Beste für ihr Kind und sind einfach unsicher, wie sie mit dem Thema umgehen sollen. Bei den Stammtischen fällt bei den Angehörigen oft immenser Druck ab, wenn sie merken, dass sie nichts Falsches sagen können.
Was wünschst du dir zukünftig für junge queere Menschen am Land?
Florian Niederseer: Ich möchte, dass queere Leute, die am Land aufwachsen, nicht das Gefühl haben, dass sie ihre Heimat verlassen müssen, um so sein zu können, wie sie sind. Ich wünsche mir, dass keine junge queere Person mehr angefeindet wird. Queere Personen sollen sich in ihren Heimatgemeinden nicht nur toleriert, sondern wohl und zu Hause fühlen.