Spürnasen im Einsatz
Spürhunde, die bei der Suche nach vermissten Menschen oder Sprengstoff eingesetzt werden, sind weithin bekannt. Der Salzburger Verein der Naturschutzhunde hat sich dem Umwelt- und Artenschutz verschrieben. Hier werden Mensch-Hund-Teams speziell für den Naturschutz ausgebildet.
von Julia Herzog
Es ist ein regnerischer Tag. Der Himmel gleicht einem grauen Leintuch. Unablässig prasseln die Tropfen durch das Blätterdach des Morzger Waldes. Naturschutzhund Idaios macht das schlechte Wetter wenig aus. Was für den Menschen Gummistiefel und Regenjacke sind, ist für den Wolfsspitz-Rüden sein dichtes Fell. Es hält ihn an Tagen wie diesen warm. Sowieso ist der Regen Nebensache, denn der Naturschutzhund ist hoch konzentriert. Drei Beutel Pfefferminztee liegen in einem kleinen Stück des Waldes für ihn versteckt. Aufrecht und in gespannter Erwartung des Startkommandos sitzt Idaios neben Frauchen Veronika Pfefferkorn-Dellali. Zunächst bekommt er noch seine Arbeitskleidung angelegt – ein blaues Halsband mit dem Aufdruck „Naturschutzhund“. Ein Ritual, das dem Vierbeiner signalisiert: Ab jetzt bin ich im Einsatz. Schließlich ist es so weit. Pfefferkorn-Dellali gibt das Kommando: „Idaios, Minze. Go!“ Blitzschnell startet der Rüde los und durchschnüffelt das vor ihm liegende Waldstück. An eine Stelle kehrt er immer wieder zurück, schnüffelt akribisch und legt sich hin. „Hast du etwas gefunden?“ Pfefferkorn-Dellali bückt sich und hält kurz darauf einen Beutel des versteckten Tees in Händen. „Super gemacht, Idaios.“ Die freiberufliche Biologin und Hundetrainerin streicht ihrem Vierbeiner lobend durch das dichte Fell.
„Um die grundlegende Suchtechnik zu vermitteln, werden die Hunde zu Beginn ihrer Ausbildung meist auf Tee trainiert. Den gibt es in jedem Supermarkt und man kann jederzeit trainieren“, erklärt Pfefferkorn-Dellali. Erst wenn ein Hund perfekt im Erschnüffeln des Tees ist, werde ein neuer Geruch geübt. „Dann weiß der Hund, worum es bei der Suche geht.“ Schwieriger verfügbar als Pfefferminztee aus dem Supermarkt sind die Gerüche, auf die die Naturschutzhunde im Laufe ihrer Ausbildung trainiert werden: Vom Wolf über Wildkatze oder Goldschakal sind die Spürnasen auf unterschiedlichste Wildtiere und Pflanzenarten spezialisiert. Auf welchen Geruch ein Hund trainiert wird, entscheiden die Besitzer:innen. „Meist interessiert den Besitzer ein bestimmter Geruch oder es besteht Bedarf für ein Projekt.“ Eines dieser Projekte beschäftigt sich mit Schlagopfern unter Windrädern. „Die Hunde suchen im Burgenland riesige Flächen nach toten Vögeln oder Fledermäusen ab. Der Mensch würde dafür ewig brauchen und dazu viel weniger finden“, erklärt die Vizepräsidentin der Naturschutzhunde.
Vor der Idee, einen Verein für Naturschutzhunde zu gründen, kam bei Pfefferkorn-Dellali die Liebe zum Hund. Die begleitet sie seit frühester Kindheit. „Seit ich denken kann, bin ich hundenarrisch. Ich bin mit drei Geschwistern in einer Wohnung aufgewachsen, da war kein Platz für einen Hund.“ Um auf den Hund zu kommen, war Kreativität gefragt. „Gemeinsam mit meiner besten Freundin habe ich mir Hunde aus der Nachbarschaft ausgeliehen. Wir waren mit einem großen Rudel und den unterschiedlichsten Rassen spazieren – vom Spaniel über den Berner Sennenhund bis zur Dogge.“ Der richtige Umgang mit den Vierbeinern kam Pfefferkorn-Dellali intuitiv. „Ich wusste nichts über Hundeerziehung. Der Umgang mit den Tieren hat mir einfach Spaß gemacht.“ Nach dem Studienabschluss kam der Belgische Schäferhund Elsu in ihr Leben. Als er 2017 verstarb, zog der Wolfsspitz-Rüde Idaios ein. „Beim Spazierengehen wurde ich oft gefragt, auf welcher Hundeschule ich war. Dabei habe ich meine Hunde immer selbst trainiert.“ Angespornt vom Lob und der persönlichen Neugier absolvierte die freiberufliche Biologin schließlich die Ausbildung zur Hundetrainerin.
2010 kam Pfefferkorn-Dellali die Idee, ausgebildete Spürhunde im Naturschutz einzusetzen. „Ich habe eine Dokumentation gesehen, in der Hunde die Prärie nach einer seltenen Pflanzenart durchsuchten. Sie konnten die gigantischen Flächen schnell durchforsten. Ich dachte mir, dass das auch in Österreich eingesetzt werden könnte.“ Gemeinsam mit der Kindheitsfreundin gründete Pfefferkorn-Dellali einen Verein, der schließlich Ende 2019 unter dem Namen „Naturschutzhunde“ seine Aktivitäten aufnahm, nachdem sich ein gutes Dutzend Begeisterte zusammengefunden hatte. Heute umfasst der Verein 100 Mitglieder. Neben Biolog:innen besteht der Großteil der Mitglieder aus interessierten Hundefreund:innen. „Das Herzstück des Vereins ist die zertifizierte Ausbildung. Dabei werden Hunde und ihre Halter zur Mitarbeit bei Umwelt- und Artenschutzprojekten ausgebildet. Bei den praktischen Kursen lernt der Hund, dass er sich für einen bestimmten Geruch interessiert.“ So ist Wolfsspitz Idaios auf die Raupe des Roten Apollo – einer seltenen Schmetterlingsart – spezialisiert. „Der Rote Apollo kommt in ganz Europa selten vor. Um festzustellen, wie viele Raupen es in Österreich gibt, werden im Rahmen eines EU-Projektes Naturschutzhunde eingesetzt“, erklärt Pfefferkorn-Dellali. Auch auf den Geruch des viel diskutierten Wolfes sind einige Hunde spezialisiert. „Die Hunde sind darauf trainiert, den Kot der Wölfe zu finden. Dabei erhofft man sich Informationen über die Genetik der Wölfe. So kann festgestellt werden, ob in einem bestimmten Gebiet Wölfe leben und ob diese miteinander verwandt sind.“ Hunde, die große Gebiete mit Leichtigkeit durchsuchen können, seien ideal für das Monitoring von Wildtieren geeignet. „Hunde haben zwischen 200 und 300 Millionen Riechzellen – der Mensch nur ein paar Millionen“, erklärt die Biologin. Die Nase eines Hundes funktioniert von Geburt an, während Augen und Ohren in den ersten Tagen noch geschlossen sind. „Hunde nehmen ihre Umwelt über Gerüche wahr. Was für uns die Augen sind, ist für sie die Nase. Mich fasziniert das total. Das ist eine Welt, die uns Menschen verschlossen ist.“
An Aufträgen mangelt es den Naturschutzhunden mit ihrem exzellenten Riechorgan jedenfalls nicht. „Unsere Kunden sind private Auftraggeber, Umweltorganisationen und öffentliche Stellen. Es gibt nicht viele Leute, die sich mit dem Thema beschäftigen. Die Szene ist klein und unser Verein gut gebucht“, erzählt Pfefferkorn-Dellali. Die Arbeit der Naturschutzhunde wird wohl auch in Zukunft nicht an Bedeutung verlieren. Was Spürnase und Ausdauer eines Hundes leisten, kann technologisch in vielen Bereichen bislang nicht ersetzt werden. „Wer weiß, vielleicht gibt es eines Tages eine künstliche Intelligenz, die besser ist als die Hundenase. Aber ich denke, das wird noch einige Zeit dauern.“