Verpackung aufs Podest!

 

Auf leisen Sohlen, unangemeldet, aber zuverlässig, und dann mit ungezügeltem Selbstbewusstsein tritt sie in dein Leben: die Kreativität. Und das macht sie so besonders. 

von Judith Mederer

Wenn du grundsätzlich strukturiert, aber auch gern kreativ bist, würdest du gern Slots von Musenküssen in deinen Tag einplanen. Funktioniert leider nicht. Geküsst werde ich beispielsweise meist, wenn ich unterwegs bin, zu Fuß, am Rad oder in einer Besprechung, die mich nur peripher betrifft. Oder: wenn eine Idee nicht zu Ende gedacht ist. Wie zum Beispiel die Blumensamengeschenksidee.

Nachdem Frau Zinnie alle Kraft reingesteckt hat, um in die Höhe zu schnellen und dort oben Bienen, Hummeln und Menschen aller Art mit Blüten in Orange, Pink und Rot zu erfreuen, hat sie sich verdient, sich zurückzuziehen. Nicht ohne vorher noch kleine feine Samen auszubilden. Die Natur denkt ja immer ans Danach. Für mein Danach bedeutet es, die verblühten Blüten abzuschneiden und in der Gartenhütte nochmals in kleinen Sträußchen aufzuhängen. Die Samen sollen ganz trocken werden. Nach ein paar Tagen werden die Blüten auf einem Zeitungspapier ausgeschüttelt, und da liegen sie: klein, unscheinbar und voller Leben, das erweckt werden will. Den Samen zu Weihnachten verschenken? Warum nicht? So war die Geschenksidee geboren, eine Idee nach meinem Geschmack: persönlich – weil selbst gepflückt; nachhaltig – weil nur Natur; schön – weil Blume. So einfach, so gut.

Ein paar Gramm grau-braun-grünlicher Samen zu Weihnachten liebevoll in die Hand gedrückt? Natürlich würden sich die so beschenkten Menschen über diese Geste freuen … Mein Plan aber war, die Blumensamen in ein Kleid zu stecken, das ihrer würdig ist!

Und damit fing die Herausforderung an. „Samentütchen falten“ spuckte rund 5.850 Ergebnisse aus. Ich entschied mich für eine kleine, wiederverschließbare Variante aus Papier ohne Klammer, ohne Kleber. Die Idee bekam langsam ein Gesicht. Wie bringe ich das Ganze nun in eine weihnachtliche Form? Wenn du mittendrin bist, weißt du es eigentlich noch nicht, weil dir der „Flow“ (dieses laut Wikipedia beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung)  jede Art von logischem, wertendem Denken verbietet, aber: Ungefähr hier ist der Zeitpunkt, an dem dich die Muse niederknutscht. 

Mit schwarzem Marker, etwas Goldfarbe und Pinsel und einem sehr dünnen roten Geschenksband mache ich mich ans Werk. Wie man klitzekleine Mascherl mit dem Gabeltrick macht, verrät ein Youtube-Video. Ich finde in der Bastelkiste ein paar Pinnadeln mit Goldkopf. Ich falte, zeichne, male, binde … und vergesse die Zeit. Schlussendlich gehe ich in Serie und bin zuversichtlich, dass sich die Menschen, die ich beschenken möchte, ähnlich freuen werden wie ich in der Produktion.

Die Bienenkönigin trägt ein goldenes Krönchen, schleppt eine goldene Weihnachtskugel. Und innendrin im Tütchen wartet ein wunderbarer Do-it-yourself-Blumengarten auf seine Aussaat! Verschenkt habe ich diese Tütchen zu Weihnachten vor zwei Jahren und noch diesen Sommer habe ich eine Whatsapp bekommen mit einem Foto einer kleinen Cosmea und einer Zinnie im Topf. Die Freundin war über das verloren geglaubte, noch verschlossene Tütchen gestolpert und hat erst dieses Jahr gepflanzt. Wie wunderbar!