Zuversichtlich in die Zukunft schauen

 

Schriftsteller Manfred Goak trifft Verkäufer Costel Barbu

 

Seit unserem letzten Interview in der stilvollen Hotellounge im Andräviertel sind etwas mehr als drei Jahre vergangen. Wir sehen uns beinahe täglich, wenn du, Costel, vor deinem Spar-Markt in Itzling stehst und auf bescheidene und höfliche Art deine Zeitung anbietest. Dein Name Costel ist die rumänische Variante des Namens Constantin. Constantin bedeutet der Beständige, der Standhafte. Jeden Tag harrst du vor der Spar-Filiale bis zu zehn Stunden aus, um dein Apropos zu verkaufen.

Mit Freude habe ich unserem Zusammentreffen abseits unseres Alltags entgegengesehen. Es ist etwas Besonderes, dir, mit Unterstützung unserer Dolmetscherin Alina, zuzuhören.

Ich bin mit Fragen über deine Zukunft zum Interview gekommen. Aber wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen oder über die Zukunft nachdenken.

Du wurdest als Costel Barbu am 10. Februar 1962 in Craiova, einer Stadt im südlichen Rumänien, geboren. Nach acht Jahren Schule, einer Lehre und dem Militärdienst warst du in einer großen Fabrik in Craiova beschäftigt. Nach der politischen Wende kam der Niedergang. Du verlorst deine Arbeit und bekamst ein Jahr lang Arbeitslosengeld. Nach diesem Jahr standest du ohne Einkommen und ohne Beschäftigung da. Dein Bruder Ionel war bereits in Salzburg und hat dich im Jahr 2005 überredet, hierherzukommen. Unter keinen Umständen warst du bereit, dein geliebtes Rumänien zu verlassen, aber du wolltest die Hochzeiten deiner beiden Töchter finanzieren und brauchtest daher Geld. Du kamst für ein Jahr und bliebst ein weiteres.

„Inzwischen sind daraus 18 Jahre geworden“, stellst du mit einem Lächeln fest. Salzburg ist dir zur zweiten Heimat geworden. Du liebst die Schönheit der Stadt und bist dankbar für den Respekt, den dir die Salzburger:innen entgegenbringen.

„Die Österreicher wirken oft kühl und ernsthaft, aber sie haben das Herz am rechten Fleck!“

Du erzählst gerne über die netten Begegnungen mit deinen Mitmenschen, über die weniger erfreulichen Vorkommnisse berichtest du erst, als ich mich danach erkundige.

In der Zeit der Pandemie bist du mit Maske und Handschuhen an deinem Platz gestanden. Eine Frau, die du vom Sehen kanntest, die aber noch nie eine Zeitung bei dir gekauft hatte, hat dich angezeigt und die Polizei gerufen. Einen Monat durftest du nicht arbeiten. Weil du keine Zeitungen verkaufen konntest, hattest du kein Einkommen. Überlebt hast du nur, weil dir deine Töchter aus Rumänien Geld geschickt haben.

„In jedem Wald gibt es dürre Äste“, fügst du hinzu. Das unhöfliche Verhalten mancher Menschen und der Mangel an guten Manieren ärgern dich. Aber schnell überwindest du diese trüben Gedanken und setzt dein humorvolles Lächeln auf. „Mit 62 Jahren hat man für solchen Blödsinn keine Zeit mehr!“

Es ist dir wichtig, deine positiven Erfahrungen herauszuheben und dem Negativen nicht allzu viel Beachtung zu schenken. Die Freundlichkeit der Mitarbeiter des Spar-Markts und die Höflichkeit deiner Kund:innen sind dir das Wichtigste. Viele Käufer deiner Zeitung sind dir ans Herz gewachsen und du fühlst dich ihnen freundschaftlich verbunden. 

Etwa drei Jahre möchtest du deiner Arbeit als Straßenzeitungsverkäufer noch nachgehen. Dann bist du 65 Jahre alt. Die Pension willst du in Rumänien genießen und hoffst, eine Rente zu bekommen, die zum Überleben reicht.

Das Elternhaus in einem kleinen Dorf in der Nähe vor Craiova hat der Vater dir vermacht. Hier wirst du leben und den Ruhestand, abseits des Trubels der Stadt, genießen.

„In den Dörfern ist es ruhig. Die Jungen sind weggegangen und nur die Alten sind geblieben.“

Mit einem Lächeln versuchst du, auch dieser Entwicklung etwas Positives abzugewinnen.

Die Pension zu genießen und dennoch nicht nur dem Müßiggang zu frönen ist für dich kein Widerspruch.

Deinem Elternhaus ist eine kleine Landwirtschaft angeschlossen. Du möchtest den Hof bewirtschaften, Gemüse und Obst anbauen und den Überschuss deiner Ernte auf dem Markt verkaufen. Voll Optimismus vertraust du auf die Hilfe der anderen Dorfbewohner:innen.

„Die Mindestpension in Rumänien ist sehr niedrig. Viele ältere Menschen sind arm und können sich kaum das Nötigste leisten. Vielleicht kann ich auf diese Weise die Menschen meines Dorfs unterstützen“, hoffst du.

„Ich denke, Gott schenkt mir zehn weitere Jahre, und weitere zehn Jahre werde ich von ihm erbitten. Das große Ziel ist es, einhundert Jahre alt zu werden!“, wünschst du dir mit einem Augenzwinkern.

Aber noch ist es nicht soweit. Drei Jahre willst du noch in Salzburg bleiben und im Jahr 2025 dein 20-Jahr-Jubiläum bei Apropos feiern. Mit leuchtenden Augen siehst du diesem Ereignis entgegen und offenbarst uns deinen Lebenswunsch.

„Meine allergrößte Freude wäre es, auf der Titelseite eines Apropos abgebildet zu sein! Wenn nicht zu meinem 20-Jahr-Jubiläum , wann dann?“